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Den Sparring-Partner immer dabei

Aktualisiert: 25. Feb. 2022

Nicole Drechsler und Magali Lähns teilen sich seit mehr als sechs Jahren die Leitung der internen Kommunikation bei IWB. Was braucht es, damit Job-Sharing funktioniert? Und wo liegen die Vorteile für Arbeitnehmende und Arbeitgebende?



Erfolgreich im Team: Magali Lähns und Nicole Drechsler leiten gemeinsam die interne Kommunikation bei IWB


FischWorks: Job-Sharing begegnet uns immer häufiger. Viele fragen sich aber auch, wie das funktionieren soll. Ihr beide teilt Euch Eure Stelle schon seit über 6 Jahren und es läuft sehr gut. Wie klappt das konkret und wie sieht Euer Alltag aus?


Nicole Drechsler: Zunächst einmal ganz praktisch: Ich arbeite am Montag und Dienstag, am Dienstagabend tippe ich quasi den letzten Buchstaben und am Mittwochmorgen macht Magali bei diesem Buchstaben weiter und arbeitet von Mittwoch bis Freitag zwei Vormittage und einen ganzen Tag. Einmal im Monat versuchen wir, eine Überschneidung zu haben, um verschiedenes zu diskutieren, vor allem konzeptionelle Dinge.


Magali Lähns: Abgesehen von dieser praktischen Einteilung ist aus unserer Sicht ein Gelingensfaktor, dass wir beide schon Teilzeit gearbeitet haben und wissen, was es heisst, wenn man den Bleistift fallen lässt und erst fünf oder vier Tage später zurück kommt. Man strukturiert seine Arbeit dann einfach anders, als wenn man an fünf Tagen pro Woche an seinem Schreibtisch sitzt. Im Gegensatz zum «normalen» Teilzeitarbeiten liegt beim Jobsharing die Freiheit darin, dass ich weiss, Nicole ist da, wenn ich nicht da bin, und umgekehrt. Wir wissen inzwischen auch, wem welche Arbeit leichter von der Hand geht, und wir können Aufgaben danach aufteilen. Dadurch sind wir sehr produktiv. Fachlich sind wir auf Augenhöhe. Das ist entscheidend, damit es im Team klappt. Eine Hierarchie zwischen uns wäre toxisch.


Nicole Drechsler: Das sehe ich genauso. Wir haben blindes Vertrauen in die andere. Es darf kein Konkurrenzdenken zwischen uns stehen, wir sind in dieser Stelle quasi eins. Wenn Magali eine Lohnerhöhung erhält, bekomme ich sie auch. Wenn eine von uns eine Entscheidung trifft, halten wir gemeinsam den Kopf hin. Auch wenn eine einmal Mist gemacht hat, stehen wir ausnahmslos füreinander ein. Damit Jobsharing funktionieren kann, muss es also zwischenmenschlich absolut stimmen.


Was schätzt Ihr als Arbeitnehmende am meisten am Jobsharing?


Nicole Drechsler: Für mich ist das, den Druck teilen zu können. Man hat seinen Sparring-Partner immer dabei. Wenn ich einmal nicht weiterkomme, muss ich viel seltener auf den Vorgesetzten zurückgreifen, seltener Kolleg*innen bei der Arbeit unterbrechen, weil ich Magali habe. Wir sind zwei Köpfe, die denken können. Gerade in konzeptionellen Dingen ist das ein riesiger Vorteil.


Magali: Dank Jobsharing kann sich jeder auch im Rahmen einer Teilzeitstelle weiterentwickeln. Wenn man seinen Job, jeden Tag alleine macht, muss man oft Zusatzinformationen einholen, damit man sein Fachgebiet weiterentwickeln kann. Bei uns läuft das in einem Guss. Der Wissenstransfer ist einfach da.


Und wie gewährleitet Ihr diesen Wissenstransfer, wenn Ihr nur rund einmal pro Monat gleichzeitig da seid? Wie vermeidet Ihr Leerläufe?


Nicole Drechsler: Am Anfang haben wir mit einem Protokoll im Excel-Format gearbeitet, heute nutzen wir ein Projektmanagement-Tool. So sehen wir immer, wenn die andere etwas notiert hat und wir wissen, wann was gemacht werden muss. Es braucht eine Art Pendenzenliste, an der man schnell seine Informationen findet. Ich habe am Montagmorgen gut 200 Mails in meinem Emaileingang, da brauche ich unser Tool, um zu sehen, was das erste Wichtige ist. So klappt für uns der Wissenstransfer sehr gut. Nach einer sehr wichtigen Sitzung setzen wir uns zudem zusammen, damit wir wirklich auf dem gleichen Stand sind.


Magali Lähns: Anfangs mussten wir uns schon ein bisschen reinfinden und zunächst mehr investieren, damit wir auf dem gleichen Stand sind. Wir mussten uns daran gewöhnen, am Ende unserer jeweiligen Arbeitstage der anderen Arbeit liegen zu lassen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Und es brauchte oft abends oder am nächsten Morgen noch ein Telefonat, eine SMS oder eine Email, damit das Weiterarbeiten gut funktionierte. Inzwischen ist das längst nicht mehr nötig. Jetzt läuft es ganz automatisch: was muss wann gemacht werden – alles klar. Leerläufe – wenn es mal welche gibt – haben wir nur, wenn der Auftrag nicht klar ist. Aber das passiert auch, wenn man alleine auf einem Job ist, das liegt dann nicht am Job-Sharing.


Wir haben kurz über die Vorteile vom Job-Sharing für Euch gesprochen. Gibt es auch Vorteile für Arbeitgebende? Und welches sind die Nachteile?


Nicole Drechsler: Es ist natürlich der Initialaufwand, der grösser ist. Zwei Verträge, zwei Anmeldungen bei der Pensionskasse. Was danach bleibt, sind die Jahresabrechnungen. Dann überwiegen, unserer Meinung nach, die Vorteile: Man hat nie eine 100%-itge Abwesenheit, die Stelle ist immer besetzt, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir krankheitshalber beide gleichzeitig ausfallen. Zudem haben wir die Abmachung vorgeschlagen, dass wir nicht gleichzeitig in die Ferien fahren und während den Ferien der einen auch an den anderen Tagen die Mails der anderen anschauen und einspringen, wenn es nötig ist.


Magali Lähns: Arbeitgebende haben mit einer Job-Sharing-Besetzung einer Stelle immer zwei Köpfe und damit mehr Kompetenzen vereint. Hinzu kommt natürlich, dass es für manche Firmen auch interessant ist, so den Frauenanteil zu erhöhen. Es bringt also auch viele Vorteile.


Was war ausschlaggebend dafür, dass Ihr Euch vor über 6 Jahren zusammen beworben habt?


Magali Lähns: Wir hatten beide bereits Kinder, kleine, wollten nicht in einem hohen Prozentvolumen arbeiten, waren aber auch frustriert, dass es praktisch keine verantwortungsvollen Stellen in kleineren Teilzeitpensen gibt. Gerade in der Kommunikation ist es fast nicht möglich, eine verantwortungsvolle Position mit tieferem Pensum zu erhalten. Wir wollten uns unserer Berufserfahrung entsprechend auch weiterentwickeln können, was auf einer «gewöhnlichen» Teilzeitstelle praktisch nicht möglich ist. Wir hatten in diesem Punkt die gleiche Ausgangslage und haben uns dann entschieden, Augen und Ohren offen zu halten nach Stellen, die uns beide angesprochen haben.


Nicole Drechsler: Nach einigen ablehnenden Reaktionen auf eine Doppelbewerbung (wir haben immer vorher angerufen und gefragt, ob eine Doppelbewerbung überhaupt berücksichtigt würde), haben wir das Inserat von IWB gesehen und waren uns sofort einig, das wäre super. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben wir unser Dossier zusammengestellt, eines für uns beide, und dann wurden wir tatsächlich eingeladen, was uns nach den ersten Erfahrungen doch erstaunt aber erfreut hat.


Wie seid Ihr vorgegangen?


Nicole Drechsler: Wir haben für unsere Bewerbung versucht, aus Arbeitgebersicht zu denken. Was braucht er wirklich. Wir haben also versucht, die vorher erwähnten Vorteile herauszustellen, dass wir garantieren, dass immer zumindest 50% der Stelle besetzt sein werden etc. Ja und dann war unser Vorgesetzter auch positiv eingestellt und wir durften ihn überzeugen. Dass er sich Job-Sharing praktisch vorstellen konnte, war sicher ganz wesentlich, dass wir die Stelle bekommen haben. Wir mussten ihn also fast nur fachlich überzeugen und er hat gesehen, dass wir beide auch einzeln gut auf dieser Stelle funktionieren würden.


Magali Lähns: Viele können sich ja überhaupt nicht vorstellen, wie das gehen soll, dass die andere Person wirklich weiss, wo weiterarbeiten und was zu tun ist. Man muss da aufhören, in bestehenden Strukturen zu denken. Es ist nicht «mein» Emaileingang, sondern der von diesem Job. Und es geht nicht um mich, sondern um den Job. Und schliesslich: Wenn man jemanden einstellt, geht man doch davon aus, dass der- oder diejenige kann, was er oder sie können muss. Genauso muss einem Doppel, das sich gemeinsam bewirbt, einfach auch zugetraut werden, dass sie das können. Wie sie es praktisch gestalten, damit es klappt, liegt dann in der Eigenverantwortung der beiden, die einen Job teilen.


Nicole Drechsler: Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist auch, dass man im anderen den richtigen Partner/die richtige Partnerin hat. Man kann nicht zwei Leute aufgrund ihres CVs zusammenwürfeln. Man muss das zu zweit wollen und am gleichen Strick ziehen. Anders kann es, denke ich, kaum funktionieren. Man muss das wollen und man muss immer bereit sein, vielleicht auch etwas mehr als nötig zu leisten, denn man steht am Anfang schon unter Beobachtung, ob das auch wirklich gut genug funktioniert.

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