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  • Autorenbildfrauke kausch

«Der Führungsalltag ist deutlich anspruchsvoller geworden»

Mit Christoph Tschumi, Verwaltungsdirektor der Universität Basel, haben wir über Führungsverantwortung in der Krise, Chancen und Gefahren des Homeoffices und was einen attraktiven Arbeitgeber ausmacht, gesprochen.


FischWorks: Durch Corona hat sich und wird sich vermutlich auch in Zukunft einiges verändern. Was sind die wichtigsten Veränderungen, die die Krise für das Arbeitsleben Deiner Meinung nach mit sich bringt?

Christoph Tschumi: Innert weniger Tage hat sich die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden nachhaltig verändert. Bis vor kurzem weitgehend unbekannte digitale Instrumente wie Zoom, Webex und MS Teams dominieren heute unseren Arbeitsalltag und die Zusammenarbeit mit unseren Mitmenschen. Dieser abrupte Wandel und die zunehmende Vertrautheit mit den neuen Kommunikationsmitteln haben zu höherer Effizienz geführt. Neben dem Wegfall von Reisezeit und –kosten werden die Besprechungen fokussierter und kürzer, sogar stelle ich höhere Erfolgsquoten in Verhandlungen fest, da digital weniger Emotionen wahrnehmbar sind und die Sachebene im Vordergrund steht.

Gleichzeitig ist der Führungsalltag deutlich anspruchsvoller geworden. Jedes Meeting muss «gesceduled» werden, womit viel Spontanität verloren geht. Und wie kann ich Mitarbeitende, Kolleginnen und Kollegen emotional abholen, wenn ich in den digitalen Tools keinen Augenkontakt herstellen, kaum Mimik und Gestik lesen oder Zwischentöne heraushören kann? Wie geht es ihnen? Sind sie gesund und motiviert? Tragen sie hinter ihren bewegten Portrait-Bildern oder unter ihren Schutzmasken Probleme mit sich herum, die dringend angesprochen werden sollten?

Die Herausforderung für die Schaffung und Aufrechterhaltung eines motivierenden und wertschätzenden Arbeitsumfelds sind mit den Corona-Massnahmen und der damit einhergehenden Digitalisierung des zwischenmenschlichen Austauschs deutlich gewachsen.


Wo siehst Du die grössten Chancen und Gefahren beim Homeoffice?

Am Ende eines Homeoffice-Tages fühle ich mich regelmässig ausgelaugt. Dies ganz im Gegensatz zu einem Tag im Büro, wo ich mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt komme. Ich war mir bis vor der Krise nicht bewusst, wie viel Energie ich aus dem persönlichen Austausch, den zwischenmenschlichen Emotionen und aus humorvollen Begegnungen schöpfe.

Eine besondere Herausforderung in einem Homeoffice-Arbeitsumfeld ist die Vermittlung von Firmenwerten und einer guten Zusammenarbeitskultur. Für Vorgesetzte ist es in einem solchen Umfeld um ein Vielfaches schwieriger, diese weichen Faktoren vorzuleben und zu prägen.

Als Führungsperson wird man mit einer gewissen Unsicherheit und neuen Fragestellungen konfrontiert, wenn die Mitarbeitenden im Homeoffice sind. Während im Büro einfache Fragen kurz beim Vorbeigehen oder bei einem Kaffee besprochen werden können, muss im Homeoffice extra ein Meeting aufgesetzt werden. Die Kommunikation wird viel organisierter. Eine gute Kultur und Zusammenarbeit wird jedoch nicht von der Agenda, sondern durch soziale Kontakte und durch Persönlichkeiten, die physisch präsent und wahrnehmbar sind, geprägt!

Die Vorteile, die beim Homeoffice bleiben, sind die örtliche Unabhängigkeit, die Ersparnis des Arbeitsweges sowie allenfalls eine ruhigere Arbeitsumgebung für konzentriertes Arbeiten.


Firmenwerte vs. Individuelle Vorstellungen der Mitarbeitenden. Wie schafft man es, dass die Firmenkultur gelebt wird gerade bei einer so vielfältigen Institution wie der Universität Basel?

Der Aufbau und Anpassungen an der Unternehmenskultur benötigen viel Zeit. Wir haben vor einigen Jahren an der Universität Basel zwei Departemente organisatorisch und physisch zusammengelegt, da wir vom gemeinsamen Potenzial und den Synergien überzeugt waren. Schnell stellten wir fest, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen. Die zwischenmenschliche Zusammenarbeit, das Denken und die Herangehensweise an Problemstellungen waren bei den beiden Einheiten völlig verschieden. Die Unterschiedlichkeit fand seine Kulmination in der Farbe der Wandtafeln. Die einen konnten nicht ohne «black boards», die anderen nicht ohne «white boards». Heute nach mehr als sieben Jahren beobachten wir mit Freude, wie sukzessive gemeinsame Projekte und Initiativen entstehen. Damit hat sich über mehrere Jahre durch persönlichen Austausch, physische Nähe, neue Mitarbeitende und gemeinsame Meetings eine neue vereinte Kultur entwickelt.

Mit einem schriftlichen Leitbild und einem Code of Conduct ist die Arbeit zur Einführung einer neuen Zusammenarbeitskultur nicht erledigt, auch wenn sich dies vielleicht viele Führungskräfte wünschen. Ein sehr wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor zur Prägung einer Kultur ist das Vorleben und Agieren der Vorgesetzten im Führungsalltag.


Was macht einen attraktiven Arbeitgeber für Dich aus?

Neben flexiblen Arbeitszeiten, Familienfreundlichkeit, Gestaltungsspielraum, einer guten Arbeitsplatzinfrastruktur und einer attraktiven Entlöhnung ist das Arbeitsumfeld extrem wichtig. Motivation entsteht, indem Mitarbeitende wertgeschätzt werden, viel Bestätigung erhalten und auch mal einen Fehler machen und daraus lernen dürfen. Zentral ist auch ein gutes Team, in welchem man sich über gemeinsame Erlebnisse und Erfolge freut, sich gegenseitig unterstützt, ohne sich ständig von den Verantwortlichkeiten seiner Kolleginnen und Kollegen abzugrenzen.

Auf der persönlichen Ebene ist eine gute Work-Life-Balance sehr wichtig. Diese kann von den Vorgesetzten unterstützt werden, indem entsprechenden Abmachungen betreffend Arbeitszeiten und Verteilung der Arbeitslast im Team getroffen werden. Die zunehmend flexiblen Arbeitszeiten führen vermehrt dazu, dass fast rund um die Uhr immer jemand am Arbeiten ist und wir zu allen Tages- und Nachtzeiten Emails erhalten. Damit flexible Arbeitszeitmodelle funktionieren können, braucht es Regeln und den nötigen Respekt gegenüber der Freizeit der anderen. Auch hier spielt die Firmenkultur wiederum eine entscheidende Rolle.


Wie schaltest Du persönlich nach einem anstrengenden Tag ab?

Da ich grossen Spass an meiner Arbeit habe, kann ich sehr viel Energie direkt daraus ziehen. Daneben sind es die Familie, Freunde und meine Hobbies, die mir die nötige Balance und Erholung geben.


Ganz herzlichen Dank für das interessante Gespräch, Christoph!

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