frauke kausch
«Heute wird man nicht mehr CEO, wenn man nicht auch ausgeprägte Leadership Kompetenzen hat»
Aktualisiert: 25. Feb. 2022
Mit Marco Gadola, früherem langjährigem CEO bei Straumann, jetzt Verwaltungsrat in verschiedenen Firmen und Unternehmer, haben wir über seine Funktion und die Aufgaben als Verwaltungsrat gesprochen und darüber wie wichtig die Firmenkultur für den nachhaltigen wirtschaftlichen Unternehmenserfolg ist.

FischWorks: Vom CEO zum Verwaltungsrat. Nachdem Du seit 2013 die Straumann Gruppe als CEO geleitet hast, bist Du seit 2020 für Straumann und andere Firmen wie u.a. DKSH Holding, Medartis, MCH Group, Tally Weijl oder Calida im Verwaltungsrat. Wie haben sich Deine Rolle und Deine Aufgaben als Verwaltungsrat verändert?
Marco Gadola: Der Verwaltungsrat (VR) vertritt ja per Definition die Interessen von den Aktionären und delegiert die Verantwortung für das operative Geschäft an den CEO und sein Leadership Team. Die Aufgaben des VR sind eher strategischer Natur, man steckt nicht mehr in den täglichen operativen Details drin. Was man ja eigentlich auch als CEO nicht immer sollte (lacht) - aber auch da gibt es natürlich unterschiedliche Stile.
Als VR hat man eine Überwachungs- und Lenkungsfunktion und sollte sich mehr aufs «big picture» konzentrieren, was aber auch sehr von der jeweiligen Situation abhängt. In einer Krise ist der VR ganz anders gefordert, dann muss er sich mehr mit dem operativen Geschäft und den Details auseinandersetzen. Wenn alles gut läuft, ist die Hauptverantwortung meiner Meinung nach das Sicherstellen der Umsetzung der Strategie sowie einer guten Corporate Governance und dass der CEO und das gesamte leadership team den Aufgaben gewachsen sind und diese motiviert ausüben.
FW: Kann man sich auf die neue Rolle vorbereiten?
Ja, das kann man selbstverständlich. Vor allem gedanklich und einstellungsmässig. Man muss sich ganz bewusst machen, dass die VR Rolle eine andere ist. Besonders in einer Konstellation, in der ein früherer CEO Verwaltungsrat wird, kann es zu Spannungen kommen, wenn man die Abgrenzung nicht ganz klar akzeptiert und auch so handhabt.
FW: Hilft es, wenn man als VR CEO Erfahrung mitbringt?
Ich persönlich finde ja. Da man aus eigener Erfahrung sagen kann, was man als CEO gut fand und was nicht, was die Erwartungen sind, wo sie erfüllt waren und wo nicht und um die Fehler und das Verhalten, das man selber als CEO nicht geschätzt hatte, zu vermeiden.
Es ist schwierig, sich in einen CEO reinzuversetzen, wenn man nicht selbst einmal diese Funktion hatte. VR-Mitglieder, die nie eine operative Verantwortung hatten, wissen oftmals nicht, was der Unterschied zwischen strategischer Arbeit und dem «Kopf-Hinhalten» für die operative Umsetzung ist. Deshalb hilft es meiner Meinung nach sehr, wenn man die CEO-Rolle einmal aktiv ausgeübt hat.
FW: Mit Deiner Firma CJG Consulting berätst Du Firmen im Bereich «Corporate Culture». Warum ist die Firmenkultur für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg so wichtig? Vielleicht können wir hier zurückblenden zu meiner Zeit bei Straumann. Als ich dort 2013 angefangen habe, war es eine schwierige Zeit. Wir mussten als erstes restrukturieren. Wir haben die ganze Organisation verschlankt, Kosten rausgenommen, Personal abgebaut und dann versucht auf Wachstum umzuschwenken. In einer Krise ist «top down» angesagt. Man kann nicht – um es etwas salopp auszudrücken – in einem demokratischen Verfahren Mitarbeiter*innen mitnehmen. Es muss schnell etwas gemacht werden. Wenn es brennt, fragt man nicht lange, wer löscht das Feuer, sondern man ruft die Feuerwehr und macht.
Als wir die Krise bewältigt hatten und wieder auf Wachstumskurs waren, habe ich festgestellt, dass die Kultur im Unternehmen gar nicht so weit war, um all die verschiedenen Projekte anzugehen und das Wachstumspotential voll auszuschöpfen. Der Mindset «wir warten einfach mal ab, was die von oben sagen» war im Unternehmen tief verwurzelt. Ein top-down-Ansatz funktioniert bis zu einem gewissen Grad, ist aber meiner Meinung nach nicht nachhaltig. Wir haben daraufhin eine «cultural journey» gestartet, um die Kultur hin zu mehr Selbstverantwortung und Agilität zu verändern.
FW: Braucht ein kultureller Wandel nicht viel Zeit?
Eigentlich nicht. Man muss einfach die richtigen Knöpfe drücken. Das heisst, genau definieren, auf was man achtet, dies messen und schauen, wo man steht. Es ist nicht ein «Händchen haltend übers Feuer laufen» in irgendwelchen Teamworkshops. Das gehört vielleicht auch mal dazu, aber damit schafft man den Turnaround nicht. Man merkt in diesen Momenten übrigens besonders, dass heute nicht mehr nur die fachlichen Skills gute Führungspersonen ausmachen. Die Herausforderung ist vielmehr, ein Team so zu führen, dass es vorankommt. Heute wird man nicht mehr CEO, wenn man nicht auch ausgeprägte Leadership Kompetenzen hat.
FW: Was macht denn eine erfolgreiche Unternehmenskultur aus?
Selbstverantwortung zu fördern und auch zu zulassen sind entscheidend. Dabei definiert man ein Ziel, den Weg zum Ziel lässt man dem Einzelnen aber frei. Man muss sich dabei die Frage stellen, wie es gelingen kann, das Potential der Mitarbeiter*innen zu heben. Das ist der Schlüssel. Das Potential hebt man aber nicht über «command and control», sondern indem die Mitarbeitenden im Unternehmen unterstützt werden aus der Comfort Zone heraus zu treten, Neues zu versuchen, Selbstverantwortung zu übernehmen.
Ich bin überzeugt, dass die Kultur den grossen Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Firmen ausmacht. In einem Umfeld, in dem die Kultur stimmt, können Strategien viel besser und schneller umgesetzt werden.