anninafischer
Spontaneität bleibt auf der Strecke
Aktualisiert: 25. Feb. 2022
Für unsere Interviewserie „Begegnung mit...“ haben wir in diesem Monat mit Jan Kundert, CEO der Europäischen Reiseversicherung, gesprochen. Fünf kurze Fragen, jede zu einem eigenen Thema: z.B. zur "neuen Normalität" bei der ERV, zu Trends und Entwicklungen in der Reiseversicherungsbranche und Arbeitgeberattraktivität aus Sicht eines vergleichsweise jungen CEOs und Familienvaters.
FischWorks: Die Corona Pandemie hat eine «neue Normalität» gebracht. Was sind Deiner Meinung nach die wichtigsten Veränderungen fürs Arbeitsleben?
Jan Kundert: Zwar war in unserem Umfeld die Nutzung von digitalen Kollaborations-Tools, Homeoffice und Smart Working bereits vor Corona existent und möglich. Durch die Pandemie sind diese Arbeitsformen aber in der Breite salonfähig geworden. Sowohl intern als auch extern ist die Verwendung üblich und anerkannt und inzwischen richten sich viele Prozesse an der Nutzung dieser Tools aus. Die Mitarbeitenden verfügen über die notwendige Infrastruktur, beherrschen die Tools und planen Meetings automatisch digital. Nur noch in absoluten Ausnahmefällen gibt es physisch durchgeführte Sitzungen. Hätte man diese neue Arbeitsform vor zwei Jahren so vorangetrieben, wäre sie wohl kaum gleich akzeptiert gewesen.
Welche neuen Trends könnten sich in der Versicherungsbranche im Allgemeinen bzw. in der Reiseversicherungsbranche im Spezifischen in Zukunft etablieren?
Durch das Coronavirus hat sich unser aller Leben stark verändert und einige der Themen werden unsere Gesellschaft nachhaltig verändern. Das Geschäft von Versicherern besteht darin, Risiken zu tragen. Die mit Corona eingetretenen Veränderungen unseres Lebens werden sich entsprechend auch in vielfältiger Art und Weise kurz- bis langfristig im Versicherungsgeschäft niederschlagen und dieses nachhaltig beeinflussen. Beispielsweise wird sich das Mobilitätsverhalten grundsätzlich verändern. Zwar hat die Mobilität insgesamt aktuell abgenommen, bereits jetzt ist aber eine Verschiebung vom öffentlichen in den Individualverkehr feststellbar. Da weniger Zeit mit dem Arbeitsweg verbracht wird, bleibt mehr Freizeit und somit steigt in diesem Bereich das Unfallrisiko. Corona hat ferner zu einer grossen Digitalisierungswelle geführt, was wiederum die Erwartungen an den Digitalisierungsgrad von Prozessen und die Verfügbarkeit von Informationen auf Kundenseite spürbar ansteigen lässt.
Welches sind für Dich als Führungskraft die wichtigsten Herausforderungen im Homeoffice und wie gehst Du diese an?
Eine der grossen Herausforderungen scheint mir das Sicherstellen der strukturierten Weitergabe von Informationen. Dies auch, weil der informelle Informationsfluss – beispielsweise die Kaffeegespräche – durch die konsequente Umsetzung von Homeoffice stark abgenommen hat. Ebenso scheint es mir auf Distanz schwieriger, die Emotionen des Gegenübers stets richtig zu deuten. Mir persönlich fällt die Besprechung konzeptioneller Themen schwerer, da ich solche Themen gerne direkt am White Board stehend visualisiere und moderiere. Dieser interaktive Austausch ist im Homeoffice schwerer und die teils kontroversen Diskussionen fehlen mir. Und schliesslich fehlt mir ein bisschen der persönliche Touch: Zwar laufen viele Meetings virtuell effizienter ab als physisch. Aber gleichzeitig sind sie oftmals auch sachlicher und spröder, Spontaneitäten und lockere Sprüche sind deutlich seltener.
Was macht für Dich einen attraktiven Arbeitgeber aus?
Für mich persönlich ist ein zentraler Faktor, dass ich eine Aufgabe wahrnehmen kann, in welcher ich eine langfristige Mission verfolgen und einen gewissen Wirkungsgrad haben kann. An solchen Aufgaben kann ich wachsen, was aus Erfahrung am meisten Befriedigung verschafft. Damit ein Arbeitgeber attraktiv ist, muss er also Vertrauen schenken und bereit sein, Verantwortung abzutreten. Dazu gehört auch eine Firmenkultur, mit der ich mich persönlich identifizieren kann und ein personelles Umfeld, in dem man sich wohlfühlt. Generell nehmen die Arbeitskolleginnen und -kollegen einen wichtigen Stellenwert ein – wir verbringen ja schliesslich viele Stunden am Tag bei der Arbeit. Als Familienvater lege ich natürlich Wert auf Job-Sicherheit. Harte Faktoren wie Vergütung, Job Titel, Lohn-Nebenleistungen u.ä. sind für mich nachrangig.
Wie entspannst Du nach einem anstrengenden Tag?
Ein generelles Rezept habe ich nicht. Als allgemeinen Tipp kann ich höchstens mitgeben, dass es mir wichtig erscheint, sein Leben auf mehrere Säulen zu stützen. Arbeit ist Bestandteil eines ausgeglichenen, erfüllten Lebens, macht alleine aber nicht glücklich. Meine persönlichen Säulen – nebst Arbeit –sind Familie, Sport, Natur. Früher war ich bspw. auch in verschiedenen Vereinen aktiv, heute investiere ich viel Zeit in die Familie, was bisweilen fast noch anstrengender als Arbeit sein kann.
