anninafischer
«Was ich denn hier mache und wer ich sei» / Anina Lesmann, Geschäftsführerin der R. Geissmann AG
Aktualisiert: 25. Feb. 2022

Die PWC-Studie «Generation Töchter» kam zum Schluss, Schweizer Familienunternehmen würden das Potential an Fachwissen, Themenvielfalt und Motivation ihrer Nachfolgerinnen nicht genügend ausschöpfen (https://www.pwc.ch/de/insights/generation-toechter.html). Alte Rollenmodelle würden sich hartnäckig halten und weibliche Vorbilder fehlen. Es kann aber auch anders gehen. Für Anina Lesmann war es kein Hindernis, Frau zu sein. Sie führt in der zweiten Generation die R. Geissmann AG, mit ihrem Vater zusammen, jedoch immer mehr alleine.
Du führst die R. Geissmann AG in der zweiten Generation. Wie war Dein Weg dorthin?
Mein Vater hat mit zwei Partnern vor etwas mehr als 50 Jahren die R. Geissmann AG gegründet. Heute gibt es noch ihn und mich. Während dem Jurastudium war es ein Nebenjob, dort ein bisschen im Büro mitzuarbeiten. Nach dem Studium und Anwaltsexamen habe ich eine Zeit lang versucht, zweigleisig zu fahren, also 50% bei der R. Geissmann AG zu arbeiten und 50% als Anwältin in einer Kanzlei. Das hat auf Dauer aber nicht funktioniert. Ich kam mit der Zeit in die Geschäftsleitungsfunktion, habe mehr Verantwortung übernommen und dann war klar, dass es einfach nicht reicht, nur 50% für dieses Unternehmen da zu sein. Genauso in der Anwaltskanzlei waren die 50% oder eben sogar weniger zu wenig. Dann bin ich 2013 100% bei Geissmann eingestiegen und teile mir bis heute die Geschäftsleitung mit meinem Vater.
Wie geht das, sich die Geschäftsleitung mit dem Vater zu teilen, der die Firma selbst gegründet hat?
Das geht bei uns sehr gut. Sicher hat da geholfen, dass die Aufteilung immer recht klar war. Er ist gelernter Radio- und Fernsehtechniker, ich mit meinem Jurastudium komme aus einer ganz anderen Richtung. Ich decke damit eigentlich das Gegenteil ab. Inzwischen hat er sich weitestgehend aus dem Alltag zurückgezogen, ist aber bei grundlegenden Entscheidungen involviert. Wir diskutieren noch immer sehr, sehr viel, auch wenn im Alltag die Verantwortung jetzt bei mir liegt.
War für Dich immer klar, dass Du diesen Weg einschlagen willst?
Das kam erst mit der Zeit. Zuerst war für mich klar, dass ich Jura studieren und vielleicht auch Anwältin werden möchte. Als ich aber angefangen habe, für die R. Geissmann AG zu arbeiten, habe ich immer mehr gemerkt, dass das zu mir passt. Und als ich mich entscheiden musste, als Anwältin zu arbeiten oder in der Geschäftsleitung der R. Geissmann AG, war für mich klar, wofür ich mich entscheide. Das war ganz klar ein Herzensentschluss. Es war aber nie ein Thema, das meine Eltern aufgegleist hätten. Eine Rolle hat jedoch sicher gespielt, dass es der R. Geissmann AG, als ich dort begonnen habe, nicht gleich gut ging wie heute. Wir haben es dann geschafft, die Firma auf einen guten Kurs zu bringen. Wir sind von damals fünf Angestellten auf heute 20 gewachsen. Dass es also immer besser lief und ich Teil davon war, hat natürlich auch sehr viel Spass gemacht und das wollte ich nicht aufgeben.
Wenn man Dir zuhört, hat man den Eindruck, dass vollkommen harmonisch ablief, wie Du in die R. Geissmann AG hineingewachsen bist. Gab es nie Reibungen? Wie ist bei Euch die Stabübergabe an die nächste Generation so gut gelungen, dass ihr das Unternehmen gemeinsam erfolgreich weiterführen konntet? Ist es einfacher, wenn ein Vater sein Geschäft an die Tochter übergibt, als wenn es an den Sohn weitergeht?
Naja, es war sicher nicht immer nur harmonisch (lacht). Aber ich denke, sehr wichtig ist, dass wir aus zwei so unterschiedlichen Richtungen kommen. Mein Vater hat immer respektiert, was ich mitbringe, und ich respektiere natürlich, was er mitbringt. Das kann man auch anders sagen: Mein Vater war sogar glücklich, dass jemand kam, der ein Zahlenflair hat und sich für die kaufmännischen Fragen einsetzt. Ich auf der anderen Seite mag inzwischen zwar ein gebildeter Laie in den technischen Fragen sein, aber es ist völlig klar, dass in diesen Dingen mein Vater das Sagen hat und zusammen mit dem Leiter Technik den Weg vorgibt. Wir haben uns geradezu perfekt ergänzt. Da fallen schon einmal sehr viele Reibungspunkte weg. Es gab aber natürlich Diskussionen und vielleicht war es auch mal explosiv. Diese Explosionen waren aber immer kurz. Es ging immer schnell wieder einer von uns auf den anderen zu und wir haben eine Lösung gefunden. Wir sind beide keine streitlustigen Menschen. Ob mein Geschlecht eine Rolle spielt, kann ich nicht sagen.
Du hast zwei jüngere Geschwister, eine Schwester und einen Bruder. War nie Thema, dass sie wie Du in die Firma hätten einsteigen wollen?
Nie. Meine Schwester ist Ärztin in Deutschland, mein Bruder hat Wirtschaft studiert und arbeitet an der Uni. Er ist inzwischen im Verwaltungsrat, aber es war für ihn kein Thema, operativ in der R. Geissmann AG eine fixe Rolle zu übernehmen. Bei grösseren Projekten oder Ausschreibungen unterstützt er mich aber im Hintergrund mit den Zahlen. Er ist ein sehr guter Sparringpartner, der auch kritische Fragen stellt. Er kann sehr gut den Schritt zurück machen und von Aussen Themen aufzeigen, bei denen wir etwas machen sollten. Er ist sehr direkt und ehrlich mit seinem Feedback, das ist sehr wertvoll. Natürlich fühle ich mich auch manchmal angegriffen und es kommt zu Diskussionen. Das gehört dazu. Aber meistens funktioniert es sehr gut.
Das klingt nach einem tollen Familiybusiness.
Ja, das ist es im Moment wahrscheinlich, ja.
Technische Branchen sind eher Männerdomänen. Ist das ein Thema?
Gar nicht. (überlegt) Es fällt mir schon auf. Ich habe es aber eher als positiv wahrgenommen. Als ich vor 15-20 Jahren an meinen ersten Anlässen teilgenommen habe, zum Beispiel vom Verband der Kabelnetzbetreiber, war der Durchschnittsvertreter schon eher ein Mann und tendenziell älter. Insofern bin ich aufgefallen mit Anfang/Mitte Zwanzig. Das war aber immer positiv. Man wollte wissen, was ich denn da mache und wer ich sei – nicht belächelnd, sondern interessiert. Damals leitete eine Frau den Verband und die hatte Freude, dass jetzt noch eine andere Frau kam. Heute gibt es ein paar Frauen mehr. Ein Nachteil war es nie, also eine Frau und nicht einmal Technikerin zu sein. Ich begegnete keinem unterschwelligen Vorwurf. Ich habe eher Interesse erfahren. Es war auch in unserer Familie kein Thema, dass ich eine Frau bin und da noch ein Bruder wäre. In meinem Leben hat das Geschlecht nie eine Rolle gespielt.
***
Die R. Geissmann AG ist ein Multimedianetzbetreiber mit Sitz in Oberdorf/BL. Seit über 50 Jahren plant, baut und betreut sie eigene Kabelnetze, mit welchen sie den Kunden Fernsehen, Internet und Telefonie anbietet, sowie Kabelnetze für Gemeinden, Genossenschaften und andere Kabelnetzeigentümer. Sie beschäftigt rund 20 Mitarbeitende.Das Familienunternehmen legt viel Wert auf den persönlichen Kundenkontakt. Und auch der Bezug zur Region liegt dem Betrieb mit Tätigkeitsschwerpunkt in der Nordwestschweiz am Herzen.