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Was neben der Attitude, einem gesunden Selbstbewusstsein und Neugierde gute Mitarbeitende ausmacht

Aktualisiert: 25. Feb. 2022

Mit Werner Parini, COO des EuroAirport, haben wir über die Bedeutung des Flughafens als Wirtschafts- und Arbeitsstandorts für Basel und die Auswirkungen der Krise auf das Mobilitätsverhalten gesprochen. Aber auch darüber, welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften ihm bei Mitarbeitenden besonders wichtig sind und warum er bei Einstellungsgesprächen nicht die klassischen Fragen stellt.


Werner Parini, COO EuroAirport

Frauke Kausch: Welche Bedeutung hat der EuroAirport für Basel als Wirtschafts- und Arbeitsstandort?


Werner Parini: Zunächst ist der EuroAirport ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt – wir sagen «das Tor zur Welt». Dazu hat er eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung, für die Schweiz, aber auch für Frankreich und Deutschland. Durch seine Lage auf französischem Boden, aber mit Staatsverträgen mit Frankreich und der Schweiz – eine weltweit einzigartige Situation – hat er einen Auftrag für beide Länder zu erfüllen und trägt mit einer Wertschöpfung (direkt, indirekt, induziert und katalytisch) von über 1.6 Mrd. Euro entscheidend zur Attraktivität der Region bei. Auf der Flughafenplattform sind über 6000 Mitarbeitende beschäftigt und weitere tausende Arbeitsplätze hängen indirekt vom Flughafen ab.


Der EuroAirport ist mit drei Standbeinen breit aufgestellt: Neben dem Passagierbereich, dem Kerngeschäft des Flughafens, kommen die strategischen Geschäftsfelder Fracht und Industrie hinzu. Das hat sich gerade in der Pandemie als Stärke erwiesen. Denn während die Passagierzahlen eingebrochen sind, konnte der Frachtbereich auch 2020 zulegen und Marktanteile gewinnen. Gerade für die Expressfracht ist unser Flughafen strategisch wichtig. Rund 70% der gesamten Expressfracht für die Schweiz wird in Basel eingeflogen. Um Basel wurden in den letzten Jahren viele Verteilzentren aufgebaut und der Frachtbereich profitiert von einem Neubau, in dem die Kühlkette gewährleistet werden kann. Hier ist die Pharmaindustrie ein grosser Abnehmer.


Der Bereich Industrie ist das dritte Standbein des EuroAirport, in dem Privatflugzeuge von spezialisierten Firmen, wie z.B. Jet Aviation, gewartet und nach Kundenwünschen umgebaut werden. Mit über 2000 Mitarbeitenden werden in diesem Sektor die meisten Jobs am Flughafen generiert. Basel ist übrigens das weltweit grösste, nicht herstellerbezogene Zentrum für den Umbau von Privatflugzeugen, worauf wir sehr stolz sind. Nur die Hersteller Boeing und Airbus sind grösser. Der Bereich Industrie ist im letzten Jahr relativ konstant geblieben, da es ein eher langfristiges Geschäft ist. Von der Planung der Innenausstattung eines Flugzeugs bis zur Auslieferung kann es 2-3 Jahre dauern, so dass es nicht zu kurzfristigen Schwankungen kommt. Für den Flugzeugausbau werden ähnliche Fachkräfte wie für den Autobau gebraucht, z.B. Sattlereien, Schreinereien etc. Dies hat dazu geführt, dass man auf Knowhow in der Region zugreifen konnte. Die Bedeutung für die Region geht also weit über die des reinen Passagierflughafens hinaus.


Wie schätzt Du das Mobilitätsverhalten in Zukunft ein – beruflich und privat? Wird die Pandemie nachhaltige Veränderungen mit sich bringen oder pendelt sich alles wieder auf «Vorkrisenniveau» ein?


Das ist sehr unsicher. Es gibt viele Studien und Expertenmeinungen dazu. Am Anfang der Pandemie hat man gedacht, dass sie sehr schnell vorbei gehen würde und sich die Lage im 2022 wieder erholt haben würde. Jetzt wissen wir, dass die Pandemie doch schwieriger zu «handeln» ist und der Zeithorizont hat sich verlängert. Aktuell rechnen wir damit, dass das Mobilitätsverhalten 2025/2026 wieder auf ein Vorkrisenniveau kommt. Es kommt aber auch darauf an, welche Passagiergruppen man anschaut. So merken wir ein grosses Bedürfnis nach privaten Reisen. Hier werden wir vermutlich relativ schnell das Volumen von vor der Krise erreichen. Durch den grossen Anteil an low-cost Airlines wie EasyJet, WizzAir oder Ryanair werden die Kapazitäten auch schnell wieder da sein. Denn im Gegensatz zu den grossen Airlines, wie Lufthansa oder British Airways, die den Flugverkehr im Lockdown fast ganz eingestellt haben, können die low-cost Airlines sehr flexibel und schnell auf veränderte Gegebenheiten reagieren und die Nachfrage befriedigen. Dies gibt auch uns eine gewisse Sicherheit. Generell kann man aber sagen, dass das Denken und Handeln kurzfristiger geworden ist. Als beispielsweise Englandreisen wieder möglich waren, haben sich die Buchungen innert kurzer Zeit verdreifacht. Im Gegenzug dazu sind aber auch Annullationen sehr viel kurzfristiger.


Beim beruflichen Reisen ist es anders. Es sind neue Routinen entstanden und viele Firmen haben sich auf die neuen digitalen Möglichkeiten eingestellt. Das Pendeln ist gerade bei Expats durch Homeoffice und Videokonferenzen sehr stark zurück gegangen. Anstatt am Wochenende nach London, Paris, Rom oder Madrid zurückzufliegen, entfallen diese Flüge. Sie werden in Zukunft nicht ganz ausbleiben, denn irgendwann muss man wieder mal zurück zur «Base» oder ins Headquarter reisen. Aber in diesem Segment rechnen wir mit einem Rückgang. Wie gross dieser sein wird, ist heute allerdings schwer zu beurteilen.


Wie behauptet sich der EuroAirport gegenüber anderen Flughäfen wie z.B. Zürich?


Wir sind dank unserer drei Geschäftsbereiche nicht schlecht positioniert. Dies hat sich in der Krise gezeigt, als die Passagierzahlen um rund 80% zurückgegangen sind, wir aber im Vergleich zu Zürich und Genf im Bereich Fracht Marktanteile gewinnen konnten und der Bereich Industrie relativ konstant geblieben ist.


Generell sind wir ganz anders ausgerichtet als Zürich. Zürich als Hub-Flughafen bietet viele direkte Interkontinentalflüge an, die vor allem für Geschäftsreisende wichtig sind.

Für Kontinentalreisen ist der EuroAirport hingegen sehr gut aufgestellt, auch im Businessbereich. Low-cost Airlines kooperieren immer häufiger mit Firmen und haben mittlerweile einen grossen Anteil an Geschäftsreisenden.


Kurze Wege und die Effizienz sind ebenfalls ein Vorteil gegenüber anderen Flughäfen. In Basel kann man im Terminal parkieren, mit dem Lift hochfahren und steht direkt im Abflugbereich. Innert weniger Minuten ist man am Gate und muss nicht noch ein «Bähnli» nehmen. 2019 wurden wir übrigens als effizientester Flughafen seiner Klasse (5 – 10 Mio Passagiere) von der Air Transport Research Association (ATRA) ausgezeichnet.


Und der Flughafen liegt nahe an der Stadt. Im Gegensatz zu Zürich ist man mit dem öffentlichen Verkehr sehr schnell am Flughafen. Die Nähe zur Stadt bringt aber auch Herausforderungen, wie Lärm und die Umweltproblematik.


Ein Blick in die Zukunft – welche Herausforderungen stellen sich dem EuroAirport in den nächsten Jahren, neben dem Bewältigen der Krise?


Vor allem die Lärmbelastung und CO2-Emissionen sind wichtige Themen. Hierzu entwickelte der Flughafen seit über 30 Jahren verschiedene Programme. Zur Reduktion der Lärmbelastung soll z.B. der «Ausgewogene Ansatz» zur Anwendung kommen sowie eine limitierende Lärmkurve festgelegt werden. Dabei wird ein bestimmtes Lärmvolumen für ein Jahr definiert, das nicht überschritten werden darf. Über politischen Druck aber auch finanzielle Anreize können wir die Lärmemissionen steuern. Landetaxen und Kosten für die Infrastrukturnutzung sind Beispiele. Wir fordern zudem lärmgebundene Taxen. Je mehr Lärm ein Flugzeug verursacht, desto mehr muss die Airline dafür bezahlen. Diese Lärmtaxen wachsen überproportional und werden damit für die Fluggesellschaften schnell sehr teuer. Gleichzeitig werden Fluggesellschaften, die neue, vergleichsweise geräuscharme Flugzeuge, sog. «neo-Linien» einsetzen, mit Rabatten und Benefits belohnt. Durch den Einsatz solcher Maschinen können wir wachsen, ohne mehr Lärm zu generieren. Wir ergreifen auch Nachhaltigkeitsmassnahmen. So haben wir eine CO2-Charta und wollen CO2-neutral werden. Bereits heute wird rund 80 % der Energie, die wir einsetzen über erneuerbare Energien gewonnen. Bis 2030 sollen es 100% sein. Aber auch die Fluggesellschaften sind aktiv. Neben dem Einsatz von Bio Fuel gibt es z.B. von EasyJet bereits Projekte zur Entwicklung von Elektroflugzeugen. Es ist als Flughafen nicht einfach, als Akteur wahrgenommen zu werden, der sich der Umweltproblematik bewusst ist und entsprechende Schrauben anzieht. Wir wollen aber klar diese Problematik so gut es geht limitieren, wenn wir sie auch nicht lösen können. Wir können den Flugbetrieb, unsere «raison d’être» ja nicht ganz aufgeben. Wir wollen aber einen für die Zukunft gangbaren Weg finden.


Eine weitere Herausforderung ist der Aus- bzw. Umbau des Flughafens. Der noch vor der Coronakrise geplante umfassende Ausbau des Flughafens wurde, wie auch die übrigen Investitionen bis auf die sicherheitsrelevanten, gestoppt, da momentan nicht absehbar ist, wann wir wieder auf Vorkrisenniveau kommen. Im Hinblick auf die Entwicklungen aus wirtschaftlicher, lärmtechnischer und sozialer Sicht sind wir aber dabei ein neues Projekt auf die Beine zu stellen. Ein Projekt, das keinen kompletten Neubau, sondern eine modulare Erweiterung umfasst, um die Dienstleistungsqualität für die Kunden und die Effizienz zu verbessern. So sind beispielsweise die Flugzeuge heute im Vergleich zu früheren «Crossair-Zeiten» viel grösser und es kommen mehr Passagiere aufs Mal am Flughafen an. Dafür ist die aktuelle Infrastruktur mit dem engen «Arrival» Bereich nicht ausgerichtet. Zudem nehmen heute die Sicherheitskontrollen eine viel grössere Fläche ein.


Der Flughafen wird mehr und mehr zu einem Dienstleistungszentrum mit der Customer Experience im Zentrum. In diesem Bereich möchten wir uns auch in Zukunft noch stärker profilieren.


Welche Fähigkeiten von Mitarbeitenden erachtest Du in Zukunft als besonders wichtig?


Ich unterscheide zwischen Charaktereigenschaften und Fähigkeiten. Man sollte eine gute Attitude haben, authentisch, selbstbewusst, aber demütig selbstbewusst sein und aus Fehlern lernen können. Auch «kindliche» Neugierde und Interesse an dem, was man macht, ist wichtig. Menschen mit einer gesunden Neugierde interessieren sich für das, was sie machen. Sie haben auch ein gutes Gefühl dafür, wie sie bei einer Sache vorgehen, wie sie ein Problem lösen. Wichtig sind auch Selbstverantwortung und Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, eine hands-on-Mentalität und Problemlösefähigkeit. Neugierde führt dazu, dazu zu lernen. Ich meine damit aber nicht, sich dauernd in Seminaren weiterzubilden, was nicht immer was bringt. Man lernt, wenn man sich mit Sachen auseinandersetzt und man lernt aus der Praxiserfahrung. Ich selber habe parallel zu meinem Uniabschluss immer gearbeitet. Das war eine gute Balance. Dieses Lernen, Arbeiten, Lernen, Arbeiten. Die theoretische Auseinandersetzung und praktische Umsetzung. Und dies ist mir im beruflichen Kontext auch bei anderen Leuten wichtig.

Diese Geschichte mag ich sehr: Wir haben einen Portugiesen hier, der zuerst für DHL in der Logistik Pakete bearbeitete. Dann fragte er bei uns an, ob wir für ihn Arbeit hätten. Mir gefiel seine Attitude und ich habe ihn getroffen. Er spricht fünf Sprachen und alle Sprachen hat er nebenher gelernt, nicht in einer Schule. Nach dem Gespräch schrieb er mir eine Mail mit relativ vielen Fehlern. Aber ich fand es toll, er hat sich viel Mühe gegeben und inhaltlich war es sehr gut. Er hat bei der Parkingkasse angefangen und sich dann hochgearbeitet. Heute ist er Controller für den Bodenverkehr, ein sehr spannender und verantwortungsvoller Job. Hier kommt eine Charaktereigenschaft zu Tage, die für mich wichtig ist, die Selbstverantwortung. Man ist für sich selbst und das verantwortlich, was man selbst macht und nicht der andere. Das spüre ich bei solchen Leuten.


Ich führe Einstellungsgespräche auch nicht mit den klassischen Einstellungsfragen. Mich interessiert mehr der Mensch. Ich frage, was jemand in der Freizeit macht, nach Filmen und Büchern, die er oder sie schaut bzw. liest, ob jemand ein Morgen- oder Abendmensch ist, lieber Katzen oder Hunde mag. So spüre ich eher den Menschen heraus. Und die mir wichtigen Fähigkeiten, die ich vorhin genannt habe, spürt man im Gespräch eigentlich nur, wenn man versucht den Menschen zu erfassen und nicht nur das, was auf dem Papier steht. Wenn jemand etwas noch nicht kann, schicke ich ihn eben in einen Kurs, das geht dann auch schnell. Aber die Charaktereigenschaften sind für mich wichtiger als alles andere. Viele Leute, die bei mir arbeiten, sind keine Akademiker*innen, sondern Menschen, die ihren Abschluss vielleicht auf dem zweiten Bildungsweg gemacht haben, aber sie sind problemlösungsorientiert und neugierig und haben viel Verantwortungsbewusstsein. Am Flughafen muss man das haben, denn es ist ein präzises Geschäft, bei dem die Sicherheit sehr wichtig ist, sowohl die Sicherheit der Passagiere als auch die technische Sicherheit. Man muss sich auf den anderen verlassen können.


Nicht für alle Branchen stellt die Coronakrise eine gleich grosse Herausforderung dar. Der Flughafen ist aber einer Belastungsprobe ausgesetzt. Wie schaltest Du nach einem anstrengenden Arbeitstag ab? Was sind Deine Strategien, mit dem Corona-Alltag umzugehen?


Grundsätzlich ist es so, dass ich keinen normalen Rhythmus habe, da ich am Flughafen arbeite. Aber das hatte ich schon früher so, ich bin in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen und da hat man schon immer im Unternehmen mitgearbeitet, schon als Jugendlicher. Eine Zweiteilung aus Beruf und Privat gab es bei mir nie, es war auch nicht erforderlich. Ich bin immer erreichbar, auch nachts, das Handy ist immer an, man kann mich um 2 Uhr nachts vom Turm aus anrufen. Wenn wir einen Emergency haben, dann möchte ich da sein, ich bin ja auch verantwortlich für die Operations. Ich kann mir dann aber auch Privilegien rausnehmen, z.B. später zu kommen. Wir arbeiten ja nicht «normal» nine to five, wir haben auch Schichten. Auch im Management stimmen wir uns so ab, dass einer früher kommt, einer später, ich meist zum Schluss, ich gehe aber auch zum Schluss. Ich passe mich da an.

Ich trenne Arbeit und Privatleben nicht strikt. Nach einem langen Arbeitstag ist aber das tollste für mich, mit meiner Familie zusammen zu Abend zu essen. Wir essen immer alle zusammen. Hier schalte ich ab. Gespräche mit den Kindern sind so interessant und vielfältig. Viele verschiedene Themen, ein Spaziergang nach dem Essen in der Natur im Wald, Laufen in der Natur – das erdet. Familie, Laufen, Wald, Musik und Bücher.



Werner Parini (55) ist italienisch/schweizerischer Doppelbürger und seit Februar 2005 beim EuroAirport als Leiter Operationen zuständig. Er studierte Wirtschaft und Staatswissenschaften an der Universität Basel. Nach ersten Berufsjahren für die Comco Gruppe (damals Metro Konzern), arbeitete er von 1997 bis 2002 bei der heutigen Dufry AG (vormals Weitnauer Gruppe) sowie von 2002 bis 2005 als Marketing-/Vertriebleiter bei der Uvex (Schweiz) AG. Parallel amtet er seit Studienbeginn 1987 als Inhaber und Verwaltungsratspräsident der Familienfirma, welche im Bereich Handel mit Uhren und Schmuck tätig ist. Er ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.

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